› Ägypten - Die Suche nach ewigem Leben

1.0 Ägyptische Göttinnen und Götter

Neben zahlreichen kleinen Ortgottheiten stehen die im ganzen Land verehrten kosmischen Götter und Göttinnen, aber auch die Gottheiten mit bestimmten Funktionen wie z.B. die göttlichen Beschützer der Toten. Über allen aber steht oft ein oberster Reichsgott. Von den zahlreichen Göttern und Göttinnen sollen hier die bedeutendsten genannt werden.

1.1 Anubis

Der schakalköpfige Anubis ist ein Toten und Friedhofsgott. Da sich die Schakale an der Wüstengrenze zeigen, wo man die Toten bestattet, ist das Symbol des Totengottes der Schakal. Anubis ist auch der Herr der Balsamierungshalle, und der die Leiche umsorgende Priester trägt eine tönerne Hundekopfmaske. Beim Totengericht hat Anubis zusammen mit Horus die Seelen der Verstorbenen zu wägen.

1.2 Aton

Aton (ägypt. »Sonnenscheibe«) ist zunächst die Bezeichnung der Sonnenscheibe, wird aber dann zu dem von Amenophis IV. (= Echnaton) monotheistisch verehrten Sonnengott. Der Gott Aton wird dargestellt als eine Sonnenscheibe, deren Strahlen in Hände auslaufen, die dem König und seiner Familie das Schleifenkreuz, das hieroglyphische Zeichen für Leben, darreichen.

1.3 Atum

Atum, das »All«, ist die alte Sonnengottheit von Heliopolis. Seine Symbole sind Löwe und Schlange. Gemäß der Götterneunheit von Heliopolis steht der selbstentstandene Atum an der Spitze der Götter.

1.4 Bastet

Die katzenförmig bzw. katzengestaltig dargestellte Bastet ist Göttin der Freude und Herrin von Bubastis in Unterägypten.

1.5 Horus

Der falkengestaltige Horus ist der Beschützer der König, und teils Himmelsgott mit Sonne und Mond als »Horus-Augen« und teils Sonnengott mit Falkenkopf und geflügelter Sonnenscheibe. Sohn von Osiris und Isis. In der Theologie von Heliopolis wird er zum Sohn von Isis und Osiris und rächt als Jüngling seinen ermordeten Vater. Dabei kommt es zu einem furchtbaren Kampf, bei dem Horus ein Auge verliert, aber auch der Mörder Seth verstümmelt wird. Als Sieger tritt Horus die Herrschaft über Ober- und Unterägypten an.

1.6 Isis

Eine der volkstümlichsten Gottheiten Ägyptens ist Isis, die Himmelsgöttin, Mutter- und Herrschergöttin. Nach der Götterneunheit von Heliopolis ist sie Schwester und Gattin des Königsgottes Osiris. Die Göttin wird oft dargestellt, wie sie das Horuskind auf dem Schoß trägt und säugt. Sie scheint eine Vorgestalten der christlichen Maria mit dem Jesuskind zu sein.

1.7 Osiris

Osiris (»Sitz des Auges«) ist ein Fruchtbarkeits- und Königsgott. während der 5. Dynastie tritt Osiris in den Vordergrund des Totenglaubens. Als Totengott ist er Richter beim Totengericht und Herrscher im Totenreich. Im Neuen Reich gilt er als Mondgott und als nächtliche Gestalt des Sonnengottes.

1.8 Re

Die heilige Stadt Heliopolis in Unterägypten ist seit der 5. Dynastie Zentrum der Verehrung des Gottes Re bzw. Ra.
Dieser Name ist die allgemeinste Bezeichnung des kosmischen Sonnengottes, ursprünglich einer Naturerscheinung ohne festen Kultort. Der Schöpfergott und Weltbeherrscher Re beginnt am Morgen seine Fahrt über den Himmelshorizont mit einem goldenen, 770 Ellen langen Sonnenschiff. Wenn der Sonnengott abends im Westen angekommen ist, verlässt er seine Morgenbarke, steigt in die Abendbarke um und setzt damit seine nächtliche Fahrt durch die Unterwelt fort. Seit der
5. Dynastie rückt Re an die Spitze aller Götter, wird zum Reichsgott Ägyptens und zum Vater der Könige, die fortan den Titel »Sohn des Re« führen. Das Hauptheiligtum des Re ist in Heliopolis der Sonnentempel, der »Haus der Sonne« heißt und der Stadt ihren Namen gibt. In den reichgeschmückten Sonnenheiligtümem des Reiches steht inmitten eines weiten Hofes ein großer Obelisk auf einem Unterbau, vor dem sich ein Altar befindet. Diese zum Himmel aufragende Steinsäule ist das Symbol des Sonnengottes.

1.9 Schu

Schu, zusammen mit seiner Schwester und Gattin Tefnut von Atum erschaffen, hat als Luftgott die Aufgabe, den Himmel und die Erde durch Luft auseinanderzuhalten. Aus Tefnut, der Göttin der Feuchtigkeit, und ihrem Bruder und Gemahl Schu gehen der Himmel und die Erde (Nut und Geh) hervor, indem zwischen Geb den Erdgott, und die von ihm umschlungene Schwester und Gattin Nut die Luftschicht des Schu eindringt, entsteht die Welt. Nut, die Himmelsgöttin, stellt als Schwester und Gattin des Erdgottes Geh die zweite Göttergeneration dar. Sie ist die Mutter von Osiris und Seth, Isis und Nephthys. Gelegentlich wird sie als, »Himmelskuh«, oft aber als Frau dargestellt, die mit ihren Händen und Füßen den Erdboden berührt und sich in hohem Bogen über den auf der Erde liegenden Geh beugt. Ihr Bild ist seit dem Neuen Reich im Inneren vieler Sargdeckel zu finden. Der Verstorbene erhofft sich von ihr die Wiedergeburt, da Nut jeden Abend die Sonne verschlingt, die nachts durch ihren Leib wandert, um diese jeden Morgen wieder zu gebären.

1.10 Seth

Seth ist der Gott der Wüste, der Dürre, der Stürme und der Unwetter. Er herrscht über die Randgebiete der geordneten Welt und ist der Schutzgott der Fremden. Der Osiris-Mythos, nach dem der in Oberägypten verehrte Seth im Gegensatz zu dem in Unterägypten verehrten Osiris steht, erinnert an die Zeiten, als sich Ober- und Unterägypten befehden. Im mythologischen »Bruderstreit« zwischen Seth und Osiris symbolisieren sich die ständigen Auseinandersetzungen in der Welt. Weil Seth im Mythos der Mörder seines Bruders Osiris ist, gilt er in der Spätzeit als eine Verkörperung des Bösen.

1.11 Sokar

Der falkenköpfige bzw. falkengestaltige Sokar ist als Toten- und Grabgott der Gott der weit ausgedehnten Totenstadt von Memphis, zu der die Pyramidenfelder von Giseh gehören. Sein Hauptheiligtum Ro Setau (ägypt. »Pforten der Gänge«) führt in die Unterwelt.

1.12 Thot

Der vorwiegend ibisköpfig dargestellte Thot ist ein Mondgott. Weil nach dem Mond die Zeiten berechnet werden, wird er zum Gott des Rechnens und des Schreibens, der Weisheit und der Wissenschaften. Nach ihm ist der 1. Monat des ägyptischen Jahres benannt.

2.0 Der Totenkult

2.1 Die Todesmysterien

Die Todesmysterien, die in frühester Zeit nur dem göttlichen König veorbehalten bleiben, werden später der Oberschicht und dann prinzipiell allen Menschen zuteil. Die entsprechenden Texte dazu – früher nur Pyramidentexte für die Könige – stehen jetzt auf den Sargwänden der Vornehmen und schließlich in den Totenbüchern auf Papyrusrollen, die den Verstorbenen auf den Sarg gelegt oder sogar in die Mumienbinden eingewickelt werden. Danach wird jeder Sterbliche nach seinem Tod mit Osiris eins, steigt zum Himmel auf, vereinigt sich hier mit dem Sonnengott zum Allgott und Urgott. Die Todesmysterien sind dem gewöhnlichen Menschen aber erst möglich, wenn er sich einem Totengericht unterzogen hat, in dem geprüft wird, ob die guten Taten, die Sünden überwiegen.

2.2 Das Totengericht

Das Totengericht findet vor einem Totenrichter, früher vor dem Hochgott, dann vor dem mit ihm identifizierten Sonnengott und später vor Osiris statt. Wie Osiris sich einst rechtfertigen musste, so muss es jetzt auch jeder Tote vor Osiris tun. Letzterer hat entsprechend den 42 Gauen Ägyptens 42 Richter als Beisitzer. Wie das 125. Kapitel des Totenbuches ausführt, muss der Tote sich in einer Art Unschuldsbeichte rechtfertigen und darlegen, dass er keine der
42 Verfehlungen begangen hat. Die Vignetten des Totenbuches illustrieren, wie der Mondgott Thot als Großwesir des Sonnengottes eine große Standwaage aufstellt, auf der eine Figur der göttlichen maat (Symbol der Gerechtigkeit) gegen das Herz des Toten aufgewogen wird. Während Thot mit einem Griffel das Ergebnis des Abwägens notiert, hockt daneben ein Ungeheuer, die »Fresserin«, die den evtl. schuldig Befundenen auffressen wird.

Nach dem Gericht finden die Guten Einlass in das Reich des Osiris. Das lichte Totenreich im Himmel stellt sich als Fortsetzung des Diesseits dar. Weil die dortigen Gefilde (Earu), wo auch ein Nil die fruchtbaren Felder bewässert, zu bearbeiten sind, gibt man dem Toten stellvertretende Helfer mit ins Grab. Die Bösen sind von dem lichten Totenreich ausgeschlossen. Sie liegen hungernd und dürstend im dunklen Totenreich der Unterwelt, das nur in der einen Stunde erhellt wird, da die Sonne auf ihrer nächtlichen Fahrt den unterirdischen Raum durchmisst.

2.3 Das Totenbuch

Das 125. Kapitel des Totenbuches, das die Beichte des Verstorbenen vor dem Totenrichter enthält, hat die Oberschrift »Was man spricht, wenn man zur Halle der beiden Wahrheiten (= Recht, Gerechtigkeit) gelangt, wenn man gereinigt wird von allem Bösen, das man getan hat, um das Antlitz der Götter, die in ihr sind, zu schauen.«

Dann folgt eine »negative Beichte«, in der eine ethische Ordnung zum Ausdruck kommt, die den gesamten Bereich der Verpflichtungen des Menschen umspannt und insbesondere bei den Pflichten gegenüber den Mitmenschen eine große Differenzierung und Nuancierung der Vergehen aufweist:

· Ich habe nicht getan, was der Gott verabscheut.
· Ich habe keinen Diener bei seinem Vorgesetzten schlechtgemacht.
· Ich habe nicht hungern lassen.
· Ich habe nicht getötet.
· Ich habe nicht zu töten befohlen.
· Ich habe die Opferspeisen in den Tempeln nicht verringert.
· Ich habe nicht Ehebruch begangen und nicht Unzucht getrieben.

Der Tote bekennt, dass er »sich gerichtet habe nach den Gesetzen der Halle der beiden Wahrheiten«, d.h. die Sätze der »negativen Beichte« haben für das praktische Leben die Bedeutung von Geboten.
Die Beteuerung des Verstorbenen: »ich habe nicht getötet« hat den Wert eines befehlenden Gebots für den Lebenden »Du sollst nicht töten!«. Es ist wahrscheinlich, dass diese Gebote, die dem Erbe des hebräischen Dekalogs nahe stehen, dem Mose aus Ägypten bekannt waren.

2.4 Der Glaube an ein Leben nach dem Tod

Keine andere Religion hat so sehr den Tod in Lehre und Kult einbezogen wie die der alten Ägypter. Ausdruck dafür sind u.a. Totengötter, Totengericht, Totenrituale mit Einbalsamierung und Grabbeigaben, Totenopfer, Totenstädte mit Pyramiden, Totentempel und Totenbücher. Weil das Schicksal nach dem Tode aufs engste mit dem Körper des Verstorbenen verbunden bleibt, verwendet man auf dessen Erhaltung und Bestattung die größte Sorgfalt. Ähnlich wie Osiris, das Urbild des Fortlebens, hat auch der Verstorbene eine Auferstehung zu erwarten. Insbesondere gilt dies seit ältester Zeit für den König, dessen Bestattung gleichzeitig seine Inthronisation für das Jenseits ist.

2.5 Die Einbalsamierung

Da der Lebenshauch dem Menschen auch nach seinem Tod erhalten bleibt, sofern die körperliche Substanz nicht vergeht, legt man größten Wert auf die möglichst vollständige Erhaltung des Leichnams. Unter genau festgelegten Zeremonien hat man bei der Einbalsamierung das Gehirn, das Herz und die Eingeweide herausgenommen und den Körper in mehrere Lagen kunstvoll gelegter Leinenbinden eingehüllt, so dass viele Mumien bis heute erhalten sind. Die Mumie ist in einen Holz- oder Steinsarg verschlossen. Auf den Sarg sind Tür und Augen gemalt, damit der Tote hinausgehen und die Sonne schauen kann. Ins Grab, die »Wohnung für die Ewigkeit«, gibt man dem Toten alles mit, was zur weiteren Existenz im »Westland« notwendig ist. Der Leiche wird – zur Hilfe beim Totengericht – an die Stelle des menschlichen bösen Herzens ein steinerner Skarabäus gelegt. Dieser Skarabäus, ein Blatthornkäfer, wird wegen seiner geheimnisvollen Entstehung aus der Mistkugel, die das Weibchen drehend vor sich herschiebt und in die es seine Eier legt, als ein Urwesen – dem Sonnenball und dem Sonnengott vergleichbar – angesehen und verehrt. Der Skarabäus als Amulett, in Stein, Ton, Glasfluss oder Metall plastisch nachgebildet, ist später als Siegel und Gewicht weit verbreitet.

3.0 Sakrale Bauwerke

3.1 Tempel

Zu Beginn des Alten Reiches stehen die Pyramidentempel oder Grabtempel bzw. Totentempel im Vordergrund. Sie dienen dem Totenopferkult des Königs und bestehen aus einem Taltempel und dem eigentlichen Grabtempel vor der Pyramide. Beide sind durch einen vom Taltempel zum Grabtempel fahrenden Aufweg verbunden.

3.2 Pyramiden

Die gewaltigen Steinpyramiden über den Gräbern der Könige sollen deren irdischen Leib für alle Zeiten unzerstört erhalten und der in unzugänglichen Grabkammern ruhenden Mumie die Gewähr unbedingter Unantastbarkeit schaffen. Niemand soll die Grabesruhe der Toten stören, weshalb man die Zugänge zu den geheimen Grabkammem des Königs und der Königin durch verwickelte Steinkorridore und falsche Irrwege vor Eindringlingen zu verbergen sucht, jedoch haben die selbst durch Granitblöcke mehrfach versperrten Gänge enge Grabräuber nicht daran hindern können, bis zu der Sargkammer vorzudringen und die Gräber der Könige und Königinnen mit den kostbaren Schätzen als Grabbeigaben auszuplündern, so dass sämtliche Pyramiden bereits zur Zeit der Antike ausgeraubt sind.

Von den ca. 40 Pyramiden bzw. Pyramidenresten in Ägypten sind die bekanntesten die von Giseh. Unter ihnen ist die des Königs Cheops die größte mit einer Seitenlänge von 230 m und einer Höhe von 146 m (heute nur noch 136 m). Sie hat einen Gesamtinhalt von mehr als 2 Millionen m3. Ihre Errichtung soll 20 Jahre lang 100.000 Arbeiter beschäftigt haben. Die diese Pyramide einst bis zur Spitze verkleidenden polierten Kalksteinblöcke haben ein Durchschnittsgewicht von
50 Zentnern.

Die bei den Pyramiden herrschende abstrakte, mathematische Gesetzmäßigkeit ist ein Ausdruck für das zeitlose Sein und unterstreicht die Bedeutung dieser Gräber für die Könige als deren bleibende Residenzen über den Tod hinaus.

Bianca Sulic (Juni 2003, 2AL)