› Moderne - Die katholische Kirche im 20. Jahrhundert

1.0 Das Zweiten Vatikanum - Neuerungen und Erfahrungen

Papst Johannes XXIII. (Reg. 1958 – 1963) erkennt die Zeichen der Zeit und beruft das 2. Vatikanische Konzil ein, das von 1962-1965 tagt. Das Konzil stößt die Tür für neue Entwicklungen auf:

· Die bisher lateinische Messe kann jetzt in der jeweiligen Muttersprache gehalten werden.
· Die Ergebnisse der philosophischen Forschungen und die Entwicklungen der Naturwissenschaften sollen künftig stärker berücksichtigt werden.
· Die Heilige Schrift soll mit besonderer Sorgfalt erforscht werden. Allerdings behält sich das römische Lehramt vor, für ihre authentische Auslegung eine Art Letztverantwortung vor.

Es gehört zu den ermutigenden Erfahrungen aller Christen, dass sich trotz Index der verbotenen Bücher und Disziplinierung durch Exkommunikation auch die katholische Gemeinde nicht von ihrer reichhaltigen Tradition und der zeitgenössischen Geisteskultur isolieren lässt.

1.1. Die römisch katholische Kirche seit dem 2. Vatikanum

Im Dialog der katholischen Kirche mit anderen Religionen werden Fortschritte sichtbar. Dennoch bleibt ein gewisser Absolutheitsanspruch bestehen, der sich auch im Miteinander der unterschiedlichen christlichen Konfessionen zeigt: Ökumenische Gottesdienste sind zwar möglich, sie gelten aber nicht als Gottesdienst im vollen Sinne und dürfen zudem nicht am Sonntagvormittag gehalten werden. Wer als Katholik daran teilnimmt, hat seine Sonntagspflicht allein damit noch nicht erfüllt. Nach katholischem Verständnis sind die evangelischen Kirchen weiterhin keine Kirchen in vollem Sinne, weil sie weder die Ämter noch die Sakramente nach der römisch katholischen Lehre haben. Für eine evangelische Trauung benötigt der katholische Partner weiterhin die Erlaubnis des Bischofs. In allen Bereichen, die eine volle kirchliche Gemeinschaft nicht voraussetzten, wird aber die Zusammenarbeit mit den anderen christlichen Kirchen befürwortet.

2.0 Statistische Daten

Im Jahr 2000 liegt die Zahl der Christen weltweit bei etwa zwei Milliarden, das ist ein Drittel der Weltbevölkerung. Davon sind 1040 Millionen Katholiken, 350 bis 400 Millionen Protestanten überwiegend reformierter Tradition, 215 Orthodoxe, 80 Millionen Anglikaner; der Rest ist den traditionellen Konfessionsfamilien schwer zuzuordnen.

2.1 Geographische Verteilung

Der christliche Glaube ist heute in allen Teilen der Welt vortreten, freilich mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Aufteilung der Christen auf der ganzen Welt ergibt etwa folgendes Bild:

Europa: 537 Millionen Christen
Lateinamerika: 476 Millionen Christen
Afrika: 335 Millionen Christen
Asien: 307 Millionen Christen
Nordamerika: 212 Millionen Christen
Ozeanien: 21 Millionen Christen

2.2 Von der Westkirche zur Weltkirche

Quantitativ gesehen verlagert sich das Christentum derzeit von Europa und Nordamerika nach Lateinamerika und Schwarzafrika, wo die Zahl der Christen wächst. Nach dem 1. sowie dem 2. Weltkrieg gewinnen die ehemaligen Missionskirchen schrittweise Eigenständigkeit; von einheimischen Kirchenführern geleitet, integrieren sie die bodenständige Kultur in ihr kirchliches Leben.

3.0 Christenverfolgungen im 20. Jhrt.

Bis ins 19. Jh. werden die christlichen Gemeinden in vielen Regionen unterdrückt und behindert, aber erst das 20. Jh. sollte für die Christen das blutigste in der bisherigen Kirchengeschichte werden, vor allem in den Machtbereichen des Islam und des Kommunismus. So wird z.B. Kleinasien, wo sich christliche Gemeinden seit frühester Zeit selbst unter dem Islam länger als ein Jahrtausend halten konnten, im 20. Jahrhundert durch Vertreibung oder Ausrottung der Christen völlig entchristlicht.

In den Christenverfolgungen, die 1921/1922 in der Türkei stattfinden, werden Hunderttausende griechischer Christen getötet, viele können jedoch flüchten oder werden evakuiert werden.

Bereits in den Anfängen der russischen Revolution (1917 - 1920) führen die Kommunisten einen ideologischen Ausrottungskrieg gegen die baltischen Kirchen. Die Zahl der Christen, die dabei umgekommen sind, geht in die Millionen.
In Polen wird unter der Herrschaft der Nationalsozialisten nahezu ein Fünftel der katholischen Kleriker umgebracht.

4.0 Kirchliche Vertreter und gesellschaftspolitische Initiativen

Sowohl im Hinblick auf die Demokratisierung ihrer Länder wie im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um soziale Fortschritte und politische Rechte und in der Antiapartheidbewegung (in der Republik Südafrika) spielen Kirchenführer eine zentrale Rolle:

· Der Baptist Martin Luther King (ermordet 1968, berühmteste Rede – »I have a dream«) als Leitfigur der Bürgerrechtsbewegung gegen die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung in den USA.
· Die Katholiken Dom Hélder Camara, Gustavo Gutierrez und andere als Initiatoren der Menschenrechts- und Befreiungsbewegung in den Ländern der Dritten Welt.
· der Anglikaner Desmond Tutu als Anführer im Kampf gegen die Apartheid in Südafrika.
· Der aktive Widerstand vieler Christen gegen die Hitlerdiktatur.

Auch der Anteil der röm-kath. Kirche in Polen und der evangelischen Kirche in der DDR bei der Befreiung von der kommunistischen Herrschaft zeigen an, dass alle christlichen Kirchen ihre Mitverantwortung für die Gestaltung des öffentlichen Lebens aktiv wahrzunehmen.

5.0 Ausblick

Niemand kann Prognosen für die Zukunft des Christentums abgeben. Geistige Entwicklungen lassen sich schon deshalb nicht hochrechnen, weil sie von zu vielen Faktoren abhängig sind. Die christlichen Konfessionen müssen sich jedoch weiterhin an den Zeugnissen der Hl. Schrift selbst messen und auch messen lassen. Eine abschließende Frage wirft dabei das folgende Zitat auf: »Die römische Kirche hat nie geirrt und wird nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift auch in Ewigkeit nicht irren.« (Dictatus papae von 1075).

Justyna Niemiec (Mai 2003, 2AD)

Quelle: Helmut Fischer, Schnellkurs Christentum, Köln 2001, 182f.